11/15/2023 | Nachrichten | BLZK, Vorstand

3 Fragen an das Vorstandsmitglied Dr. Niko Güttler

Vorstellung des BLZK-Vorstands 2022-2026

Wer sind die „Neuen“ im Vorstand der Bayerischen Landeszahnärztekammer? Warum engagieren sie sich ehrenamtlich für ihre Kolleginnen und Kollegen? Welche Lösungsansätze verfolgen sie bei den wichtigsten standespolitischen Problemfeldern? In der Serie „3 Fragen an …“ im Bayerischen Zahnärzteblatt (BZB) kommen die neugewählten Vorstandsmitglieder der Berufsvertretung der bayerischen Zahnärzte zu Wort – in diesem Monat Dr. Niko Güttler.

BZB: Die zahnärztliche Selbstverwaltung lebt vor allem vom ehrenamtlichen Engagement. Wie sind Sie zur Standespolitik gekommen und was motiviert Sie, sich für Ihren Berufsstand einzusetzen?

Güttler: Erste Erfahrungen mit der Standespolitik habe ich bereits als Student in der Fachschaft machen dürfen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich damals als neuer Student mehrmals im jährlichen Turnus nach Bad Godesberg, damals noch inmitten der Bundesministerien, eingeladen wurde, um an der Gestaltung der neuen Approbationsordnung mitzuwirken. Der Aufregung und den großen Erwartungen folgte jedoch alsbald die Ernüchterung über zu kleine Schritte trotz langer Diskussionen. Und trotz dieser kleinen Enttäuschung hätte ich mir niemals träumen lassen, dass es noch über 20 Jahre dauern würde, bis die neue Approbationsordnung endlich Realität werden würde.

Nach meinem Studium war ich knapp sieben Jahre Assistent in der Prothetischen Abteilung an der Freien Universität Berlin. Damals waren fast alle meine Oberärzte in der Standespolitik verwurzelt, weswegen ich mich Letzterer auch nicht entziehen konnte. So wurde ich 2004 zum ehrenamtlichen Richter des Berufsgerichtes für Heilberufe (Zahnärzte) am Verwaltungsgericht Berlin berufen. Aber auch meine Zeit als Entlastungsassistent beim damaligen Berliner KZV-Vorsitzenden bot mir die Möglichkeit, einige interessante Blicke hinter die Kulissen zu werfen.

Im Jahr 2006 habe ich mich schließlich in Freising niedergelassen und eine etablierte Praxis übernommen. Nach kurzer Eingewöhnung wurde ich in den Folgejahren von meinen Kollegen zum Obmann des Landkreises gewählt, was mir den Einstieg in die bayerische Berufspolitik bescherte. Den ZBV Oberbayern habe ich im Anschluss einige Jahre als nicht stimmberechtigter Obmann besuchen dürfen, bis ich 2012 als ordentlicher Delegierter an den Versammlungen teilnehmen durfte, um anschließend 2018 in den Vorstand gewählt zu werden, dessen Mitglied ich immer noch bin. Zum Delegierten der BLZK wurde ich 2018 und 2022 gewählt. Schließlich wurde ich letztes Jahr von meinen Kolleginnen und Kollegen in den Vorstand der BLZK gewählt. Für dieses Vertrauen möchte ich mich auf diesem Wege nochmals bedanken.

Ehrenamtlich tätig bin ich weiterhin als Vorsitzender des Prüfungsausschusses ZFA an der Berufsschule Erding. Mein ehrenamtliches Engagement erstreckt sich jedoch, wie bei vielen meiner Kollegen in der Standespolitik, auch auf Gebiete außerhalb der Zahnmedizin.

Was motiviert mich nun, so viele Wochenenden und freie Nachmittage in die Standespolitik zu investieren, zumal Freizeit schon aufgrund der Praxistätigkeit ein knappes Gut ist? Das ist eine gute Frage, die ich zu Hause auch ab und zu gestellt bekomme.

Es ist zum einen der erquickende Austausch zwischen Kollegen und die Abwechslung vom Praxisalltag. Es ist aber auch das Wissen, dass man selbst als „kleiner“ Zahnarzt gegen die ganz Großen etwas bewirken kann und muss. Diese Erfahrung habe ich gemacht, als mich die AOK Bayern wegen eines Zeitungsinterviews, das ich wegen der damaligen Puffertage gegeben hatte, auf Unterlassung verklagte. Den Prozess habe ich durch zwei Instanzen hindurch gewonnen. Das hat mir gezeigt, dass man manchmal auch als David gegen einen Goliath gewinnen kann, wenn man nur standhaft bleibt. Auch wenn uns Zahnärzte dieser kleine Sieg nicht wirklich weitergebracht hat, immerhin hat die AOK Bayern deswegen nicht ihre Kopfpauschalen erhöht. Es hat mir jedoch gezeigt, dass man auch als einzelner Zahnarzt etwas bewegen kann, und mir Appetit auf mehr gemacht. Mithilfe der Körperschaft möchte ich nun versuchen, im Team mit Gleichgesinnten viel größeren Einfluss auf die Goliaths des Gesundheitswesens zu nehmen – und zwar über viele verschiedene Kanäle. Und wahrlich, es gibt viele (Problem-)Felder, auf die wir versuchen müssen, Einfluss zu nehmen. Denn wenn wir alle nur in unserer Praxis vor uns hin bohren, werden die Politiker, gesetzliche und private Krankenkassen, die Beihilfe und diverse andere Stellen mit uns umspringen, wie es ihnen beliebt.

In letzter Zeit bewegt sich durchaus etwas. So war es für mich ein Novum, dass der bisherige Bayerische Staatsminister für Gesundheit und Pflege, Klaus Holetschek, auf einer seiner Wahlkampfveranstaltungen in meinem Landkreis in seiner Eröffnungsrede von sich aus über die Probleme und Nöte der Zahnärzte zu berichten wusste. Bisher habe ich persönlich noch nie einen Politiker erlebt, der unseren Berufsstand erwähnt oder gar öffentlich Partei für uns ergriffen hätte.

Und – um den Kreis zu schließen – es ist vor allem die tolle Lobbyarbeit der Verbände und Körperschaften in Bayern, der wir es zu verdanken haben, dass der bisherige Gesundheitsminister von unseren Problemen zu berichten weiß und sich mit unserem Berufsstand befasst – und zwar so sehr, dass er kürzlich sogar mit uns nach Berlin zum Protesttag des Verbandes medizinischer Fachberufe gereist ist. Dies zu erleben, bringt immense Motivation.

BZB: Der Zahnarztberuf unterliegt einem ständigen Wandel. Wo sehen Sie momentan die größten Problemfelder und den meisten Handlungsbedarf für die Standespolitik?

Güttler: Während meines Studiums hat Horst Seehofer als Bundesgesundheitsminister deutliche Spuren hinterlassen und mit seinen Gesetzen die Vorgaben für unseren Berufsstand nicht gerade verbessert, um es vornehm auszudrücken. Ihm haben wir zum Beispiel die Budgetierung von Leistungsausgaben zu verdanken, dass wir also oft für erbrachte Leistungen nicht bezahlt werden beziehungsweise als Leistungserbringer selbst die Zeche zahlen, wenn im Gesundheitswesen zu wenig finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Ich kenne keine andere Berufsgruppe, bei der es so etwas auch gibt. Egal, welchem Nichtzahnarzt ich das erzähle, ich ernte nur ungläubiges Kopfschütteln. Aber auch Seehofers Nachfolger haben allesamt erfolgreich daran gearbeitet, Kostensteigerungen im Gesundheitswesen zu vermeiden, indem sie unsere Gebühren beziehungsweise die Punktwerte von GOZ und GOÄ stagnieren ließen.

Die Corona-Pandemie hatte dann zumindest in dieser Hinsicht einen positiven Effekt für uns. Das Budget war auf einmal Geschichte. Geht doch, dachte sich manch einer. Man hatte zumindest bei dieser Geste das Gefühl, dass sich da oben doch jemand Gedanken macht um uns Leistungserbringer. Umso enttäuschter war ich dann, als der neue Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach rasch wieder zu den alten Gepflogenheiten zurückkehrte. Gerade er, ein Arzt, hat uns Zahnärzte nach dem Ende der Pandemie wieder ganz schnell zurück auf den Boden der Tatsachen geholt und budgetiert sogar unsere neu vereinbarten PAR-Leistungen. Ein Blick in die Vita von Karl Lauterbach hilft zu verstehen: Er ist eben nicht nur Arzt, sondern vor allem auch Gesundheitsökonom!

Man muss nicht Referent Betriebswirtschaft und Praxismanagement der Bayerischen Landeszahnärztekammer sein, um zu verstehen, dass bei stagnierenden Einnahmen und davongaloppierenden Kosten irgendwann der Gewinn schwindet. Unser größtes Problemfeld sind die seit Jahrzehnten stagnierenden beziehungsweise nicht mit der Inflation mithaltenden Einnahmen. Man kann noch so viele Stellschrauben an einer Praxis verstellen, es ist nur eine Frage der Zeit, wann es unwirtschaftlich wird, eine Praxis zu führen. Denn die Ausgaben halten sehr wohl mit der Inflation der letzten Jahrzehnte mit und sind sogar wegen immer mehr Auflagen, Prüfungen und überbordender Bürokratie sehr stark gestiegen.

Nicht ohne Grund finden viele niedergelassene Kollegen letzten Endes keinen Nachfolger, und nicht wenige Praxen – gerade auf dem Land – müssen für immer ihre Pforten schließen. Dieser Trend wird sich in naher Zukunft noch verstärken. Der demografi sche Wandel betrifft auch die Kollegenschaft. In den nächsten Jahren steht bei überdurchschnittlich vielen Praxisinhabern der verdiente Ruhestand an. Die mittlerweile zumeist weiblichen Uniabsolventen sind jedoch wenig an einer Praxisübernahme interessiert. Wer kann es ihnen auch verdenken? Die goldenen Zeiten der 1970er-Jahre sind vorbei, wir sind schon lange keine Topverdiener mehr – auch wenn das Politiker und Presse immer wieder gerne verlautbaren, allen voran unser Bundesgesundheitsökonom. Die Übernahme einer Zahnarztpraxis ist wirtschaftlich nicht mehr so attraktiv, und daher wird das Produkt Zahnarztpraxis immer mehr zum Ladenhüter. Wenn wir nicht demnächst Verhältnisse wie in Großbritannien beim NHS haben wollen, muss hier bald von der Politik korrigierend eingegriffen werden. Die Übernahme einer Praxis und deren Führung muss auch wieder finanziell attraktiv werden.

An eine baldige Umsetzung unserer Forderungen durch die Politik, insbesondere mit Karl Lauterbach als Bundesgesundheitsminister, glaube ich allerdings nicht – jedenfalls nicht, wenn wir keinen harten Widerstand beziehungsweise ordentliche Standespolitik leisten. In anderen Facharztgruppen ist die Situation teilweise noch prekärer, was sich oft in langen Wartezeiten auf einen Termin beziehungsweise auf dem Land in langen Wegen zum Facharzt widerspiegelt. Oder denken wir an den Mangel an Standardmedikamenten wie Antibiotika, Schmerzmittel und sogar Medikamente für Kinder in den Apotheken. Was unternimmt die Bundesregierung dagegen? Außer palliativen und wenig Erfolg versprechenden Maßnahmen herzlich wenig. Doch mittlerweile werden die Presse und die Bevölkerung hellhörig. Die Probleme im Gesundheitswesen treten immer häufiger ans Licht, die Leistungserbringer fangen an, zu protestieren und auf sich aufmerksam zu machen. So zum Beispiel die Apotheker, die schon mehrfach Protesttage hatten mit medienwirksamen Schließungen von Apotheken, teilweise im Pressejargon „Streik“ genannt, oder auch jüngst die Ärzte. Dies erfordert jedoch einen starken Zusammenhalt in der Kollegenschaft, den Willen, gemeinsam etwas zu erreichen und dabei auch mal auf einige Tage Umsatz zu verzichten.

BZB: Ihre Amtszeit geht vorerst bis 2026. Welche Ziele möchten Sie bis dahin erreichen?

Güttler: Als Referent für Betriebswirtschaft und Praxismanagement möchte ich versuchen, auch durch das Angebot des ZEP (Zentrum für Existenzgründer und Praxisberatung) viele Kollegen zu ermutigen, sich niederzulassen. Denn trotz aller Probleme, mit denen wir Praxisinhaber uns täglich herumschlagen müssen, ist das Unternehmertum als niedergelassener Zahnarzt auch etwas sehr Erfüllendes. Die Freiberuflichkeit ist nach der Approbation sozusagen die nächste große Stufe, die es zu erklimmen gibt. Es ist ein schwer zu beschreibendes Gefühl, sein eigener Chef zu sein. Man ist dann nicht nur stolz auf die hochwertige Zahnmedizin, die man anbietet, sondern auch darauf, ein Unternehmen zu führen, Angestellte zu haben, deren Gehälter zu zahlen und somit auch Verantwortung für diese zu übernehmen. Sicherlich ist das Rad, das ein Selbstständiger zu drehen hat, größer als das eines Angestellten. Jedoch kenne ich kaum einen Kollegen, der diesen Schritt bereut hat und wieder zurück in das Angestelltenverhältnis wollte.

Als Mitglied des Vorstands der BLZK und somit als Teil der Selbstverwaltung möchte ich mithelfen, die Situation für uns Zahnärzte in jeglicher uns beziehungsweise mir möglichen Weise zu verbessern. Ich würde mich sehr freuen, wenn auch unser Berufsstand sich zusammenraufen und nach dem Vorbild der Apotheker und Fachärzte unserem Bundesgesundheitsminister mal so richtig die „Rote Karte“ zeigen würde. Wir Zahnärzte müssen unbedingt auf diesen Zug aufspringen und Druck auf die Bundesregierung ausüben. Auch wenn viele gerne schwarzmalen und mit dem Damoklesschwert des Kassenzulassungsentzuges argumentieren: Ist den Apothekern oder Ärzten bei deren Protesttagen etwas passiert? Kann es sich die Politik überhaupt leisten, einen solchen Schritt zu gehen – sowohl moralisch als auch praktisch? Wer soll dann Kassenpatienten behandeln, wenn einem Großteil der Kollegen die Zulassung entzogen wird, nur weil sie protestiert haben? Die Versorgung würde in kürzester Zeit kollabieren. Keine KZV oder MVZ-Kette könnte einspringen und den Sicherstellungsauftrag gewährleisten. Doch dieser Protest muss von allen Akteuren der Standespolitik außerhalb der Körperschaften gemeinsam und fraktionsübergreifend initiiert und organisiert werden. Weiterhin würde die Unterstützung der Basis, also der Zahnärzteschaft, benötigt werden. Wenn nur Ehrenamtsträger auf die Straße gehen, wird wenig passieren. Nur gemeinsam sind wir stark. Und nur gemeinsam können wir etwas erreichen. Mit gutem Zureden wie in den letzten 35 Jahren kommen wir offenbar nicht weiter. Ich hoffe, dass dieses Ziel nicht zu ambitioniert ist!

Vollständiger Artikel aus dem BZB

Artikel aus dem BZB 11/2023 als PDF lesen (130 KB)

VOILA_REP_ID=C1257C99:002F5EB3